Bramberg unterm Hakenkreuz
(c) Eva Maria Thomann: Bramberg am Wildkogel unter dem Nationalsozialismus
Welche Auswirkungen hatte das Dritte Reich auf das Leben der Bevölkerung, insbesondere auf die Frauen?
Vorwissenschaftliche Arbeit vorgelegt von Eva Maria Thomann Schulklasse 8A im Maturajahrgang 2014-15
Eingereicht am Bundes-Oberstufenrealgymnasium Mittersill Felberstraße 3-5, 5730 Mittersill bei Mag. Peter Mittermüller Mittersill, am 17.02.2015
Abstract
Diese Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, die Auswirkungen des Nationalsozialismus auf die Bevölkerung von Bramberg am Wildkogel darzustellen. Das nationalsozialistische System fand in der kleinen und ländlichen Gemeinde des Pinzgaus einen sehr starken Zuspruch. Verantwortlich dafür waren allen voran große Hungersnöte und die Hoffnung auf Arbeit. In den letzten Kriegsjahren schlug diese anfängliche Euphorie jedoch in Skepsis um. Die Folgen davon waren Spitzeleien innerhalb der Gemeinde, Verrat und Neid.
Es wird vor allem mit Zeitzeugeninterviews gearbeitet, um einen realistischen Bezug zu der Thematik herzustellen. Im Mittelpunkt steht das Leben der Frau zu dieser Zeit. Die zurückgelassenen Frauen mussten zu Hause alleine mit den sehr eingeschränkten Möglichkeiten wirtschaften und wussten oft nicht, was im Krieg mit ihren Männern passiert. Dieses sehr dunkle Kapitel der Geschichte von Bramberg soll nicht verschwiegen oder vertuscht werden.
Inhaltsverzeichnis
Abstract ………………………………………………………………………………………………….. 2
1. Die Gemeinde Bramberg am Wildkogel …………………………………………. 6
2.1. Matthias Blaikner / Hauser Hias ……………………………………………………….. 7
2. Ursachen für den großen Zuspruch zum Nationalsozialistischen System ………………………………………………………………………………………… 9
2.1 Wahlsituation ………………………………………………………………………………. 10
3. Interviews ………………………………………………………………………………….. 11
5.1. Maria Wieser ……………………………………………………………………………….. 12
5.2. Traudl Zingerle …………………………………………………………………………….. 13
5.3. Margarethe Hofer …………………………………………………………………………. 13
5.3.1. Ludwig Hofer ……………………………………………………………………………….. 14
5.3.2. Kriegsgefangenschaft …………………………………………………………………… 14
4. Alltag ohne Männer …………………………………………………………………….. 17
5. Versorgung ………………………………………………………………………………… 18
6. Deserteure …………………………………………………………………………………. 21
6.1. Denunziation ……………………………………………………………………………….. 23
6.2. Zwangsarbeiter ……………………………………………………………………………. 24
7. EXKURS: Dr. Otto Amann …………………………………………………………… 26
8. Resümee ……………………………………………………………………………………. 29
Literaturverzeichnis ……………………………………………………………………………….. 31
Abbildungsverzeichnis …………………………………………………………………………… 31
Selbstständigkeitserklärung …………………………………………………………………… 32
Anhang: Interviews ………………………………………………………………………………… 33
Einleitung
Da ich mich schon immer sehr für geschichtliche Themen, vor allem jene, die auch meine Heimat betreffen, interessiere, wollte ich meine Themenwahl von Anfang an so ausrichten, dass ich einen guten persönlichen Bezug zur Thematik herstellen kann.
Somit bin ich auf den Gedanken gekommen, ein historisches Ereignis in meiner Heimatgemeinde näher zu erläutern. Die Zeit des Zweiten Weltkrieges finde ich sehr interessant und erschreckend zugleich. Sicherlich ist es ein sehr kritisches Thema, doch ich will wissen, was meine Urgroßeltern erleben mussten, wie es deren Zeitgenossen erging und wie sie versuchten mit der Situation zurechtzukommen. Dieses sehr dunkle Kapitel der Geschichte von Bramberg soll nicht verschwiegen, vertuscht oder gar vergessen werden.
Da es schon sehr viele Ausarbeitungen zum Zweiten Weltkrieg gibt und ich etwas anderes machen wollte, kam ich auf die Idee, die Frau in den Mittelpunkt zu stellen. Vor allem eine Aussage meiner Urgroßmutter hat mich zum Nachdenken angeregt:
„Und nochand hombs gsog, iaz is Kriag. Und mia? Mia homb jo nidamoi gwisst wos Kriag is.“
Damit hat sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Wer aus meiner Generation weiß, was Krieg bedeutet und unter welchen Umständen unsere Großeltern aufwachsen mussten.
Daher habe ich mir in dieser Arbeit zum Ziel gesetzt, die Auswirkungen des Nationalsozialismus auf die Bevölkerung von Bramberg am Wildkogel darzustellen. Der Schwerpunkt wird in den Jahren 1944 und 1945 gesetzt. Das nationalsozialistische System fand in der kleinen und ländlichen Gemeinde des Pinzgaus einen sehr großen Zuspruch. Bereits bei der Volkabstimmung 1938 stimmten nur drei Bürger des Dorfes gegen den Anschluss Österreichs zum Großdeutschen Reich. Verantwortlich dafür waren allen voran große Hungersnöte und die Hoffnung auf Arbeit, auch die Gemeinde selbst war zu dieser Zeit wegen des Baus neuer Abwasserkanäle hoch verschuldet.
In den letzten Kriegsjahren schlug diese anfängliche Euphorie jedoch in Skepsis um. Die Folgen davon waren Spitzeleien innerhalb der Gemeinde, Verrat und Neid. Nur wenige hatten den Mut sich gegen das System aufzulehnen. Dies ohne Bestrafung zu vollziehen ist in einer Gemeinde, in der jeder jeden kennt, schier unmöglich. Beispielsweise gab es einige Deserteure, die sich in den umliegenden Tälern und Wäldern versteckten. Die meisten von ihnen wurden verraten und für ihr Vorgehen schwer bestraft. Eine Frau, die sich weigerte, über das Versteck ihres Bruders Auskunft zu geben, wurde verhaftet und in das KZ Ravensbrück gebracht. Sie kehrte nie wieder in ihre Heimat zurück.
In der Chronik von Bramberg am Wildkogel ist nur sehr wenig über dieses Thema zu finden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die ehemaligen Nationalsozialisten auch noch nach den Kriegsjahren in Gemeindeposten tätig waren. Diese wollten das Vorgefallene so gut wie möglich vertuschen. Daher beziehen sich nur vier der 656 Seiten langen Ortschronik auf diese „schwere Zeit“1, wie sie in dieser bezeichnet wird. Aus den eben genannten Gründen orientiert sich diese vorwissenschaftliche Arbeit hauptsächlich an dem Buch „Der Pinzgau unter dem Hakenkreuz“ von Rudolf Leo.2
Es handelt sich hierbei um eine vorwiegend produktive Arbeit, welche sich vor allem mit Interviews von Zeitzeugen aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten beschäftigt. Im Mittelpunkt steht das Leben der Frau zu dieser Zeit. Die zurückgelassenen Frauen mussten zu Hause alleine mit den sehr eingeschränkten Möglichkeiten wirtschaften und wussten oft nicht, was im Krieg eigentlich mit ihren Männern passiert. Einige Frauen wurden Opfer der Nationalsozialisten und einige „falsche Worte“ reichten schon aus, um sie einzusperren und womöglich nie mehr freizulassen.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei meinem Betreuungslehrer Mag. Mittermüller für die gute Zusammenarbeit bedanken. Auch den Korrekturlesen Mag. Brigitte Seifriedsberger und Dr. Anton Seifriedsberger gilt mein Dank.
1 Hönigschmid, Hans: Bramberg am Wildkogel. Eigenverlag: Bramberg am Wildkogel 1993 S.109
2 Leo, Rudolf: Der Pinzgau unterm Hakenkreuz. Diktatur in der Provinz. Otto Müller Verlag: Salzburg 2013
1. Die Gemeinde Bramberg am Wildkogel
Das österreichische Dorf Bramberg liegt im Bundesland Salzburg und gehört zum Bezirk Zell am See. Bramberg am Wildkogel liegt im Oberpinzgau, fachlich auch Gerichtsbezirk Mittersill genannt. Das wirtschaftlich gut situierte Dorf liegt im Ortszentrum auf 819m Seehöhe, sein Hausberg, der Wildkogel, hat eine Höhe von 2224m. Bramberg wird vor allem durch die Landwirtschaft geprägt.
Der Ort grenzt im Norden an Kirchberg in Tirol, im Osten an Mittersill und Hollersbach, im Süden an Matrei in Osttirol und im Westen an Neukirchen am Großvenediger, daher gibt es eine Nord-Süd-Ausdehnung von 21,5 km.
Bramberg gliedert sich in vier Kastralgemeinden: Bramberg, Habach, Mühlberg und Mühlbach. Diese teilen sich in 12 Ortsteile auf.3
Erstmals wurde Bramberg 1160 unter dem Namen „Prentenperige“ erwähnt. Ungefähr achtzig Jahre später, 1244, nannte man das Dorf „Brennenberch“. Von „Praemberch“ (1314) entwickelte sich der Name schließlich zu dem heutigen Bramberg.4 Zur Namensgebung gibt es zwei Theorien. Einerseits wird vermutet, dass der Name auf die mittelalterlichen Brandrodungen im Ortsgebiet zurückzuführen ist. Andererseits gibt es die These, dass der Name von dem durch Sonneneinstrahlung häufig verbrannten Sonnberg (der „brennte“ Berg) herrührt.
Im Jahre 1939 zählte die Gemeinde 1871 Einwohner5, heute, 75 Jahre später, hat sich die Einwohnerzahl mehr als verdoppelt.6
3 Vgl.: Hönigschmid: Bramberg am Wildkogel. S.15
4 Vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/Bramberg_am_Wildkogel (ohne Urheber, ohne Jahresangabe, aufgerufen am: 27.08.2014)
5 Vgl.: Leo: Der Pinzgau unterm Hakenkreuz. S.46
6 Vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/Bramberg_am_Wildkogel (ohne Urheber, ohne Jahresangabe, aufgerufen am: 10.02.2015)
Matthias Blaikner, vulgo Hauser Hias
Matthias Blaikner trug in den Kriegsjahren (1938-1945) das Amt des Bürgermeisters von Bramberg am Wildkogel.7 Es ist sehr wichtig, ihn als Oberhaupt der Gemeinde zu erwähnen, da er in seiner Position einen großen Einfluss auf das Handeln der Bevölkerung hatte. So bezeichnete ihn die Zeitzeugin Maria Wieser als einen „fähigen Mann“.8
Nachdem er schon seit 1933 als „treues Mitglied“ der Gemeindevertretung galt, übernahm er schließlich im Jahre 1938 das Amt des Gemeindeoberhaupts.9
7 Vgl.: Hönigschmid: Bramberg am Wildkogel S.534
8 Vgl.: Interview mit Maria Wieser im Anhang S.39
9 Vgl.: Hönigschmid: Bramberg am Wildkogel S.534.
Abbildung 1: Bramberg am Wildkogel im Jahre 1942
8
Dies erwies sich zu dieser Zeit als keine einfache Aufgabe. In der Zwischenkriegszeit häufte die Gemeinde Unsummen von Schulden an, da sie sehr viel in das Allgemeinwohl investierte. So wurde in den Jahren von 1925 bis 1929 eine neue Volksschule, ein Seniorenwohnheim und neue Wasserleitungen für den Ortsteil Mühlbach aus der Kassa der Gemeinde finanziert. Die Gemeinde sah auf Grund der starken Verschuldung keinen Ausweg mehr und wollte den Konkurs anmelden, da dies nicht möglich war, übernahm Herr Blaikner, auch Hauser-Hias genannt, den ehrenamtlichen Posten des Bürgermeisters. Möglich war diese Tätigkeit nur dadurch, weil der Mann von einem sehr großen Bauernhof abstammte und sich diese Arbeit leisten konnte. Das Gemeindeoberhaupt bezahlte oft sogar die Versorgung der Bewohner des Seniorenwohnheims aus der eigenen Tasche.10
Der Vertreter der christlich-sozialen Partei stand trotz seiner unanfechtbaren christlichen Weltanschauung und der spezifischen Parteizugehörigkeit immer über den Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Parteien. Es war ihm wichtig, jedem Bürger das Recht auf eine freie Meinung zu ermöglichen und er erhielt daher Anerkennung aus allen politischen Lagern.11
Oft versuchten Mitglieder der NSDAP Matthias Blaikner zum Beitritt in die Partei zu „bekehren“, der damalige Bürgermeister lehnte dies jedoch immer mit der Begründung, dass jeder über seine Einstellung Bescheid wisse, ab. Dies ging so lange, bis der Ortsgruppenleiter, Hans Fürschnaller ihm eines Tages eröffnete: „Den Weyerhofer hab i in die Partei aufgnommen, und di, Hias, hab i glei dazugschriebn.“12 Dadurch wurde der Bramberger ungewollt zu einem Parteigenossen, jedoch nur auf dem Papier. Seinem Handeln nach fühlte er sich nie zum Nationalsozialismus hingezogen.13
10 Vgl.: Hönigschmid: Bramberg am Wildkogel. S.535
11 Vgl.: Ebd.
12 Vgl.: Ebd.
13 Vgl.: Ebd.
9
Als die amerikanische Militärleitung am Ende des Krieges von seiner angeblichen Parteizugehörigkeit erfuhr, wurde er daraufhin aus dem Amt entlassen. Am 7. November 1954 wurde er von den Bürgern der Gemeinde Bramberg am Wildkogel jedoch wieder gewählt.14
2. Ursachen für den großen Zuspruch zum Nationalsozialistischen System
Die Erklärung, wie es zu einem System in einem solch enormen Ausmaß kommen konnte, muss man in jedem Fall in der Zwischenkriegszeit suchen. Vor allem die frühen dreißiger Jahre waren gezeichnet von einer verheerenden Weltwirtschaftskrise und starken politischen Schwankungen. Die Industrie-, Agrar- und Kreditkrise, welche innerhalb eines sehr kurzen Zeitraumes passierte, konnte von den österreichischen Banken nicht überbrückt werden. Die Situation wurde durch eine Haftungsübernahme des Staates gerettet. Das Ausmaß der Folgen war für die Bevölkerung enorm, die Löhne sanken und die schon sehr hohe Arbeitslosigkeit in Österreich verdreifachte sich. Die Krise vor dem Anschluss wird hauptsächlich der Diktatur unter Dollfuß und Schuschnigg zugeschrieben.15
Schon ab 1933 gibt es österreichische NS-Funktionäre, denen in Deutschland Unterschlupf gewährt wird. Von dort fangen sie an ihre Fäden zu spinnen, zuerst mit Radio-Propaganda, später werden mittels Flugzeugen Flugblätter und Broschüren über Österreich abgeworfen. Die NSDAP trifft mit ihrem Propagandafeldzug für den Anschluss Österreichs an Deutschland den wunden Punkt des Landes: Geld. Die politische Bewegung verspricht der österreichischen Bevölkerung in ihrem „Wahlprogramm“ Kindergeld, höhere Löhne, Ehedarlehen und Arbeitslosenunterstützung.16
14 Vgl : Hönigschmid: Bramberg am Wildkogel. S.536
15 Vgl.: Leo: Der Pinzgau unterm Hakenkreuz. S.10f
16 Vgl.: Ebd. S. 16
10
2.1 Wahlsituation
Am 9. November 1930 finden in Österreich die Nationalratswahlen statt, das sollten bis zum Kriegsende die letzten freien Wahlen sein. Nur drei Prozent der Österreicher wählen die NSDAP. Im Bundesland Salzburg stimmen 3,17% für die Nationalsozialisten, in der Region Pinzgau sieben Prozent und im Bezirk Zell am See 10 Prozent.17
Am 24. April 1932 schreibt die Salzburger Chronik in Bezug auf die steigenden Stimmen für die Partei:
„…daß die nationalsozialistische Bewegung, besonders im Pongau und Pinzgau, auch in den Besitzstand der christlichsozialen Partei eingedrungen ist… Es läßt sich nicht leugnen, daß die starke Agitation der Nationalsozialisten, die seit Jahren systematisch durch die Gebirgsgaue getragen wurde, diesen Erfolg erzielt hat.“18
Bei den Nationalratswahlen erreichen die Nationalsozialisten im Pinzgau 25,3% der Stimmen.
In Bramberg am Wildkogel stimmen im Jahre 1938 bei der Volksabstimmung zum Anschluss an das Großdeutsche Reich nur drei Bürger mit Nein. Die Wahl wird ohne Wahlkabinen vollzogen, die Wähler werden zu der „richtigen“ Antwort mit dem Zuspruch „Du bist eh dafür, mach da glei dein Kreuzerl“ getrieben.19
Dirk Hänisch, welcher eine Arbeit über die Struktur der österreichischen NSDAP-Wählerschaft verfasste, kam zu dem Ergebnis, dass diese vorrangig von öffentlich Bediensteten und Angestellten gebildet wird. Erst nach und nach können auch die eher kritischen Bauern überzeugt werden. Die NSDAP ist von vornherein eine Partei, welche Männer und Jugendliche begeistert. Dies gelingt den Nationalsozialisten vor allem mit speziellen Veranstaltungen, die sogar in den entlegensten Orten Österreichs stattfinden.
17 Vgl.: Leo: Der Pinzgau unterm Hakenkreuz. S. 13
18 Vgl.: Ebd. S. 17f
19 Vgl.: Hönigschmid: Bramberg am Wildkogel. S. 110
11
Bei diesen Veranstaltungen wird viel Wert auf die Demonstration der wichtigsten Standbeine der Partei gelegt: Macht, Aktivität und Aufbruch.20
Die Unterkärntner Nachrichten schreiben schon am 12. März 1932:
„Es gibt heute keine Ortschaft mehr, auch im Gebirge nicht, wohin die Hakenkreuzler nicht kämen. Was uns Bergbauern von diesen Jungen nicht nur fernhält, sondern sie uns widerlich macht, ist ihr aufdringliches, abstoßendes Betragen, das ist ihre Keckheit…“21
Interviews
Die Erkenntnisse dieser vorwissenschaftlichen Arbeit beruhen auf drei verschiedenen Interviews mit drei Gesprächspartnerinnen und einem Gesprächspartner, welche im Sommer 2014 durchgeführt wurden (siehe Anhang). Die Stellungnahmen der Gesprächspartner wurden auf Grund der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen in der Zeit des Nationalsozialismus beeinflusst. Die Gesellschaft lässt sich, Aussagen der Zeitzeugen zu Folge, zu dieser Zeit grob in drei Gruppen einteilen: die Arbeiter, die Bauern und die Bürgerlichen. So war es oftmals für die Arbeiter eine große Erleichterung, wenn allen dieselbe Ration an Nahrung zur Verfügung gestellt wurde, während dies für die Bauern und Bürgerlichen einen großen Rückschlag bedeutete.
Grundsätzlich ist es ein schwieriges Unterfangen Zeitzeugen zu finden, welche sich in einem guten gesundheitlichen Zustand befinden und sich nicht davor scheuen die Wahrheit auszusprechen. Das Thema des Nationalsozialismus war für lange Zeit etwas, worüber man nicht sprach. Das Schweigen liegt nicht an einem Mangel von Zeitzeugen, sondern viele der Betroffenen haben immer noch Angst, dass sie von ihren Mitmenschen für ihre eigene Meinung verurteilt werden. Schon den „Kriegskindern“ wurde beigebracht, dass der Krieg ein Thema sei, über das man nicht spricht, denn man solle immer nach vorne schauen und sich nicht an schlimme Erinnerungen klammern.22
20 Vgl.: Leo: Der Pinzgau unterm Hakenkreuz. S.21
21 Vgl.: Ebd.
22 Vgl. Bode, Sabine: Die vergessene Generation. Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen. Piper Verlag: München Zürich 2002. S.24
12
Maria Wieser
Frau Maria Wieser wurde im Jahre 1927 in Bramberg am Wildkogel geboren. Ihre Familie war und ist immer noch im Besitz eines kleinen Stoff- und Gemischtwarenhandels, der unter dem Namen „Bichlingerkroma“ in Bramberg bekannt ist. Zu dem Haus gehörte auch ein kleiner Bauernhof mit zehn Rindern, Schweinen und einem Hund.
Da die Mutter der Frau schon in sehr jungen Jahren verstorben ist, Maria Wieser war zu dieser Zeit gerade einmal drei Jahre alt, wächst sie mit ihrem Vater und ihren Großeltern auf. Die vier Kinder wurden von einer sogenannten „Kindsdian“ aufgezogen. Zu Beginn des Krieges war Frau Wieser zwölf Jahre alt. Anfangs besuchte sie, wie der Großteil der Kinder Brambergs, bis zur fünften Klasse die Volksschule, später machte sie jedoch die Aufnahmeprüfung für die zweite Klasse der Hauptschule in Mittersill.
Ihre Eltern überlegten lange, ob dies leistbar war, da sie aber zur bürgerlichen Schicht gehörten, waren sie den Arbeitern etwas voraus und die Tochter der Geschäftsleute konnte eine für die damaligen Verhältnisse gute Ausbildung genießen. Die Kinder mussten um dreiviertel sechs Uhr morgens mit dem Zug in die etwa zehn Kilometer entfernte Gemeinde Mittersill fahren. Nach Hause ging es 12 Stunden später entweder mit dem Lastenzug oder bei schönem Wetter zu Fuß.
Am 13. März 1938, dem Tag des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich, besuchte Maria Wieser die Schule in Bramberg. Nach dem morgendlichen Kirchgang stellte sie fest, dass sie ihre Handarbeitstasche in der Kirche auf der Gebetsbank vergessen hatte. Auf dem Weg zurück in die Kirche hörte sie zwei Frauen reden, eine davon gehörte zu den ersten nationalsozialistischen Anhängerinnen von Bramberg, sie schnappte die Wortfetzten: „Heit iwa Nocht samma Hitler woan“, auf und ging wieder nach draußen. Dort hatte eine Freundin auf sie gewartet und sie sprachen über das eben Gehörte und dachten sich, dass „Hitlerwerden“ doch gar nichts Gutes heißen könne. In der Schule angekommen erfuhren sie, dass an diesem Tag alle Schüler frei hätten.
13
Als sie auf eine in der Schule arbeitende Klosterschwester trafen, sagten sie zu ihr: „Schwester Georgia, mia sand haid iwa Nocht Hitler woan.“ Diese legte nur den Finger an den Mund und warf den Mädchen einen tadelnden Blick zu.23
5.2. Traudl Zingerle
Traudl Zingerle wurde 1928 geboren und wuchs mit ihren fünfzehn Geschwistern unter sehr ärmlichen Verhältnissen auf. Als älteste von sechzehn Kindern musste sie schon früh schwere Arbeiten verrichten und konnte ihre Kindheit nie richtig ausleben.
Die Kinder der Familie mussten sich zu viert ein Bett teilen, im Winter hing oft der Frost an den Decken des renovierungsbedürftigen Hauses. Die Verwandten und Bekannten der Familie wussten, wie es um sie stand, und gaben ihnen hin und wieder, sofern es möglich war, Kleidung und Nahrungsmittel. Der Vater musste als Knecht bei einem Bauern arbeiten. Bei dieser körperlich schweren Arbeit wurde er oft nur mit einem Schilling pro Arbeitstag bezahlt, denn auch bei den Bauern war das Geld zu knapp für eine bessere Entlohnung.24
5.3. Margarethe Hofer
Margarethe Hofer wurde in Mühlbach im Pinzgau geboren, auch die Kriegszeit verbrachte sie in ihrem Heimatort. Da ihre Mutter schon im jungen Alter verstarb, musste sich Frau Hofer schon früh um ihre jüngeren Geschwister kümmern und lernen, unter armen Verhältnissen mit einer Familie zu wirtschaften.
Seit dem Jahre 1949 ist Margarethe Hofer mit ihrem Ehegatten Ludwig Hofer verheiratet.25
23 Vgl. Interview mit Frau Wieser im Anhang S.38
24 Vgl. Interview mit Frau Zingerle im Anhang S.41
25 Vgl. Interview mit Frau Hofer im Anhang S.48
14
Ludwig Hofer
Ludwig Hofer wurde im Jahre 1923 als uneheliches Kind in Mühlbach, einem großen Ortsteil Brambergs, geboren. Bis zu einem Alter von fünf Jahren wuchs er bei seiner leiblichen Mutter auf, später, bis zu seinem zehnten Lebensjahr, lebte er bei seiner Großmutter. Aufgrund des starken Arbeitsmangels musste der damals junge Knabe frühmorgens die Bauern des Dorfes aufsuchen, um nach etwas Milch für das Frühstück zu fragen.
Bis zu einem Alter von fünfzehn Jahren wuchs er bei einem Bauern als „Gar-schön-bitten-Bua“ auf. Diese Bezeichnung galt für einen Jungen, der für etwas Arbeit bei einer fremden Familie aufwachsen dürfte. Von dort kam er als Knecht zu einem anderen Landwirt in Bramberg, es war sehr viel schwere Arbeit zu verrichten, aber es ging ihm sehr gut dort und er wurde gerecht behandelt. Ludwig Hofer beteuert immer wieder, wie schön es war, dort auch als Mensch behandelt zu werden.26
Kriegsgefangenschaft
Um die damalige Situation der Frauen besser verstehen zu können, ist es auch wichtig zu wissen, in welcher Situation sich die Männer an der Front befanden. Die Frauen wussten oft nicht, wo sich ihre Männer gerade befanden und ob sie noch am Leben waren, diese Belastung prägte viele Familien und Ehegattinnen.
Viele der Heimkehrer zogen bleibende Schäden aus den Kriegserlebnissen, welche auch für die Frauen schwer zu verarbeiten waren. Um dies etwas näher zu erläutern, folgt ein Bericht der Kriegsgefangenschaft von Ludwig Hofer.27
Nach einigen Jahren als Knecht wurde Ludwig Hofer als junger Erwachsener in den Krieg einberufen. Dies war der Anfang von dreieinhalb Jahren Kriegsgefangenschaft in der Nähe von Kiew.
26 Vgl. Interview mit Herr Hofer im Anhang S.44
27 Vgl. Interview mit Herr Hofer im Anhang S.44-48
15
In den ersten Tagen mussten 25.000 Kriegsgefangene auf einem riesengroßen, mit Stacheldraht umzäunten Feld schlafen, ohne Decken auf dem blanken Boden. Später wurden sie in fünf Gruppen zu je 5.000 Männern aufgeteilt, unter ihnen hauptsächlich Österreicher, Deutsche und Ungarn.
Bei der Weiterfahrt in ein anderes Lager wurden sie zu je 43 Personen in einen Viehwagon „gestapelt“. Aus dem Wagon führte eine kleine Mulde, welche die Notdurft der Männer aus dem Wagon bringen sollte. Der gesamte Wagon war mit Stacheldraht umwickelt und die Gefangenen durften diesen nur einmal pro Tag verlassen, dann bekamen sie ihre Tagesration an Essen, eine Kartoffel, etwas Brot und Wasser. Schätzungen des damaligen Gefangenen zufolge starben täglich fünf bis sechs Personen, welche achtlos aus dem Zug geworfen wurden, das seien jene gewesen, die im Heimatland als vermisst und nicht registriert galten.
Das Endlager, ein Sammellager, war auf einem alten Fabrikgelände gelegen, welches die ungefähre Größe des gesamten Pinzgaus hatte. So beschreibt der Zeitzeuge seine Erinnerungen, das zeigt, welche Wirkung dieses Lager auf ihn gehabt haben muss.
Die Schlafbaracken der Kriegsgefangenen waren sehr baufällig, es war nicht einmal ein Boden darin. Im Herbst, als das Lager eröffnet wurde, waren fast alle Gefangenen arbeitsfähig, gegen Ende Februar des darauffolgenden Jahres waren es nur noch 180, Herr Hofer war unter ihnen.
Zu einem großen Teil sind diejenigen verstorben, die geraucht haben, denn man bekam keinen echten Tabak, sondern ein anderes „Kraut“, welches man in Zementpapier wickeln musste, diese Dämpfe waren für keine Arbeiterlunge gut.
Einmal im Monat wurde eine Untersuchung vollzogen, welche die Männer in drei Gruppen einteilte. Dies erfolgte nach einem speziellen Punkteprinzip, welches bestimmte, wie viele Nahrungsmittel man bekam.
16
Jene, die noch etwas „Fleisch auf den Rippen“ hatten und arbeitsfähig waren, gehörten zu der ersten Gruppe.
Im Lager verstarben täglich zwischen 15 und 25 Personen, so berichtet Ludwig Hofer. Abends, wenn die meisten sich zu Bette begaben, wurden immer andere Lagerinsassen ausgewählt, die die Verstorbenen begraben mussten. Nicht unweit vom Lager musste ein Loch gegraben werden und die toten Kriegsgefangenen wurden hineingeworfen, sie wurden nur leicht mit Erde bedeckt und in der Nacht kamen die Hunde, jeden Tag mehr. Dies war ein Szenario, welches die Gefangenen von ihren Baracken aus täglich mitansehen mussten.
Am 25. Juli 1947 stellte der österreichische Bundespräsident Karl Renner einen Antrag zur Freilassung der österreichischen Kriegsgefangenen. Viele Monate vergingen und die Gefangenen glaubten dieses Unterfangen schon als vergessen, als sie am ersten Dezember 1947 vom Arbeitsdienst entlassen wurden. Alle österreichischen Männer wurden noch einmal registriert, dabei handelte es sich um circa tausend Kriegsgefangene, und wieder in Viehwagons zurück nach Österreich geliefert. Auf dieser Heimreise durfte man keine feindlichen Äußerungen tätigen, ansonsten wurde man zurückgehalten, oft auch zu Unrecht, wie Ludwig Hofer meinte.
In der Nacht auf den 24. Dezember erreichten sie Wiener Neustadt und wurden dort als Heimkehrer empfangen. Jeder Gefangene erhielt eine Entschädigung von einigen Schillingen und wurde daraufhin je nach Besatzungszone in die Heimat „begleitet“. Ludwig Hofer reiste mit einem zweiten zurück nach Bramberg, wo er zuerst bei seiner Schwester unterkam. Diese überließ ihm in der ersten Nacht ihr Bett, am Morgen wachte er erstaunt auf dem Boden auf, weil er es nicht mehr gewohnt war, unter normalen Umständen zu schlafen.
17
4.
Alltag ohne Männer
Maria Wieser berichtet, dass ihr Vater im Februar 1943 wegen Beschuldigung der Schwarzschlachtung in den Krieg einberufen wurde. Normalerweise hatten die Soldaten nach dem Bescheid der Einberufung zwei Wochen lang Zeit, um sich vorzubereiten. Da der Vater der Frau als Bestrafung einberufen wurde, hatte dieser nur drei Tage Zeit, bis er Bramberg am Wildkogel verlassen musste.
Zu dieser Zeit war Frau Wieser 15 Jahre alt und hatte noch keinerlei Berufserfahrung. Als sie ihren Vater fragte, was sie nun mit dem Gemischtwarenladen machen sollte, da sie nicht wusste, wie man eine Buchhaltung führt, antwortete er nur, dass sie sich ansehen solle, wie er es gemacht hatte, das würde reichen.
Die zurückgebliebenen Frauen mussten in Haus und Hof mit anpacken und konnten es sich nicht leisten eine Arbeit zu verweigern. Groß und Klein musste zusammenhelfen und sehr sparsam mit den verfügbaren Mitteln umgehen. Im Garten wurden die größten Kartoffeln angebaut und aus allem wurde etwas gemacht.
Es war üblich, dass viele Familien Ziehkinder bei sich aufnahmen, denn das Geld war immer knapp, aber Arbeit gab es genug. Nur die unehelichen Buben durften auf den Bauernhöfen bleiben. Angaben von Frau Wieser zufolge gab es im Dorf Bramberg einen Mann, welcher 22 Kinder hatte. Da er nur ein armer Schneider war, war es für ihn sehr schwer seine Kinder zu versorgen und er war immer bettelnd anzutreffen.
Die Daheimgebliebenen mussten zusätzlich für ihre Männer im Krieg mitsorgen, indem sie ihnen monatlich Pakete zukommen ließen. Am Anfang des Krieges war es erlaubt, einiges an Lebensmittel und Diversem zu verschicken, im Laufe der Zeit wurden die Kontrollen jedoch verschärft.
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Jeder Soldat bekam eine Monatsmarke, mit der er ein Paket von einem Kilogramm empfangen konnte. Anfangs wurden die Briefträger noch dazu überredet, den Stempel nur am Eck der Marke zu machen, damit man sie noch einmal verwenden konnte, das war später jedoch auch nicht mehr möglich.
Margarethe Hofer erinnert sich an die vielen Schicksalsschläge, welche die zurückgebliebenen Familien erleben mussten. Eine Mutter hatte drei Söhne, welche nacheinander in den Krieg ziehen mussten. Keiner von ihnen kam je wieder in die Heimat zurück. Die Familie hatte jedoch noch eine Tochter, welche einen großen Bauern geheiratet hatte. Als die Botschaft vom Tod des dritten Bruders die Familie erreichte, hörte dieser auf, Lebensmittel abzugeben. Als Folge dieses Handelns wurde auch dieser junge Mann zum Kriegsdienst einberufen und musste sein Leben im Krieg lassen.
Die Briefe mit der Nachricht des „Heldentodes“ waren meist in einem blauen Kuvert, jeden Tag mussten die Familien aufs Neue bangen, und wenn man jemanden auf der Straße traf, lautete die erste Frage gleich, ob man wohl keinen blauen Brief bekommen hätte.
Versorgung
Als Absolventin einer kaufmännischen Lehre konnte Maria Wieser für diese Arbeit einen genauen Überblick über die Versorgungssituation während des Zweiten Weltkrieges geben. Im Gegensatz zum Ersten Weltkrieg wirtschafteten die Behörden besser mit den Nahrungsmitteln, weil sie früher auf die Lebensmittelmarken umstiegen.
Eine Karte war mit vier Wochenecken versehen. Diese waren zum Beispiel mit drei mal 50 Gramm Reis, Polenta, wahlweise Weizengrieß oder Haferflocken bestückt. Später, als es nicht mehr sicher war, wie viele Reserven man hatte und was übrig blieb, wurde nur „Nährmittel“ darauf geschrieben und man bekam, was gerade zur Verfügung stand.
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In Bramberg wurde dies jeden Dienstag bei einem Aufruf verkündet. Bei einigen Lebensmitteln hatte man die Wahl zwischen den „Rohstoffen“ und einem Endprodukt, so gab es beispielsweise entweder ein Kilogramm Roggenbrot oder 75 Dekagramm Roggenmehl.
Die Empfänger der Lebensmittelkarten wurden in verschiedene Gruppen eingeteilt: Kleinkinder bis zum dritten Lebensjahr, Kinder von drei bis fünf Jahren, von zehn bis vierzehn, von vierzehn bis achtzehn und Normalverbraucher. Bauern bekamen beispielweise keine Fettkarte, und wenn ein Tier geschlachtet wurde, kam ein Fleischbeschauer, welcher das zum Verzehr geeignete Fleisch wog und berechnete, wie lange man davon leben konnte. In dieser Zeit bekam die Familie keine Fleischkarte. Die Landwirte mussten Erzeugnisse ihres Hofes auch für die Allgemeinheit abliefern.28
Schwangere Frauen erhielten ebenfalls eine Zusatzlebensmittelkarte, damit bekam man so manches Mal spezielle Nahrungsmittel die, man sonst gar nicht kannte. So zum Beispiel Sardinen. Eine Frau meinte einmal, so erinnert sich Maria Wieser, dass sie, wenn sie sich nach dem Krieg nur irgendetwas kaufen könne, nur Sardinen essen würde, bis sie ihr nicht mehr schmecken.
In dem Lebensmittelgeschäft der Familie Wieser wurde zu dieser Zeit nur mit den Marken der Lebensmittelkarten bezahlt. Jede Woche mussten diese Marken sorgfältig aufgeklebt und anschließend verrechnet werden. Am Montag musste dies immer in Zell am See beim Landrat, gemeint ist die Bezirkshauptmannschaft, abgegeben werden, diese stellte einen neuen Bezugsschein aus, mit dem man die neuen Waren bei einem Großhändler in Saalfelden am Steinernen Meer abholen konnte.
Einmal kam es vor, dass ein Bezugsschein vom Landrat abgelehnt wurde, weil etwas gefälscht war.
28 Vgl.: Interview mit Frau Wieser im Anhang S.33
20
Eine schwangere Frau hatte auf ihrer Karte aus einer Eins eine Zwei gemacht, dies war für ein ungeschultes Auge nicht erkennbar, aber die Beamten bemerkten es sofort. Frau Wieser kann sich nicht mehr erinnern, womit man dieser Frau drohte, aber sie tat dies nie wieder. Es kam ansonsten kaum vor, dass jemand etwas fälschte, dafür war der Respekt zu groß.
Traudl Zingerle schildert die Nahrungsmittelsituation der Kriegszeit aus einer völlig anderen Sicht. Als Kind einer achtzehn-köpfigen Familie erging es ihr während des Krieges durch die Lebensmittelkarten um einiges besser. Sie hatten nicht viel, aber um einiges mehr als vorher und sie mussten nicht mehr hungern.
Vor dem Krieg, erzählt die Frau, musste ihre Mutter das Essen in der Speisekammer verstecken, damit die vom Hunger geplagten Kinder nicht alle Vorräte aufaßen.
Meist gab es nur eine sogenannte Brennsuppe, diese besteht aus etwas in Butter angebratenem Mehl, welches mit Milch aufgegossen wird. Mit einigen Gewürzen wurde das Gericht aufgewertet. Die Speise war für heranwachsende Kinder nicht nährreich genug, weswegen viele Geschwister der Frau oft dem Hungertod nahe waren.
„Wia donn da Hitler kemma is, is ins an bestn gonga!“29
In der heutigen Zeit wäre diese Aussage wohl undenkbar, aber wie Frau Zingerle immer wieder betont, erging es ihrer Familie noch nie so gut wie nach der Machtübernahme Hitlers. Nicht etwa, weil Frieden herrschte, sondern weil für Nahrung gesorgt wurde.
Die Familie musste jeden Tag um das Überleben kämpfen und das System übernahm dies für sie. Wie die Zeitzeugin jedoch beteuert, um einen viel zu hohen Preis.
Das Problem vieler damaliger Bewohner des Pinzgaus war die Unwissenheit, viele hatten keine Vorstellung davon, was an der Front passierte und womit dieses System zusammenhing.
29 Vgl.: Interview mit Frau Zingerle im Anhang S.42
21
Trotz der Lebensmittelkarten mussten die Burschen der Familie schon ab einem Alter von sechs Jahren zu einem Bauern gehen, um kleine Arbeiten zu verrichten. So musst einer beispielsweise nächtelang auf eine tragende Sau aufpassen. Damit der Junge während der Arbeit nicht einschlief, gab ihm die Bäuerin kleine Stofffetzchen, welche er über Nacht zu einem sogenannten „Fleckeiteppich“ zusammennähen musste.30
Margarethe und Ludwig Hofer berichten ebenso davon, dass es den Menschen im Hinblick auf die Nahrungsmittelversorgung besser ergangen sei als in der Zwischenkriegszeit. Vor 1938 war in Bramberg an jedem schattigen Plätzchen ein Bettler zu sehen, die meisten bekamen zwar etwas zu essen von den Bauern, aber sie mussten vor dem Haus essen und durften das Haus nicht betreten. Die Kluft zwischen der sozialen Schichten war enorm.
Während des Krieges musste keiner, der halbwegs wirtschaften konnte, Hunger leiden. Mit den Karten bekam jeder gleich viel, für die Nahrung wurde gesorgt, darüber dürfe man kein schlechtes Wort verlieren, betont Frau Hofer.
6. Deserteure
Der Ausdruck des Deserteurs oder auch eines Fahnenflüchtigen bezeichnet im Grunde genommen einen Mann, der für sein Land nicht in den Krieg ziehen will. Die Denunziation kann als jegliche Art von Anzeige ausgelegt werden, sie ist jedoch keine Erfindung des nationalsozialistischen Systems, spielte jedoch eine große Rolle, so wie in jedem totalitären System.31
Die durch die vielen Berge, Felsvorsprünge und Höhlen gezeichnete Landschaft des Pinzgaus bietet die idealen Voraussetzungen für einen Fahnenflüchtigen. 32
30 Vgl. Interview mit Frau Zingerle im Anhang S.42
31 Vgl.: Leo: Der Pinzgau unterm Hakenkreuz. S.122
32 Vgl.: Ebd. S.104
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Im Zeitraum von 1944 bis 1945 hielten sich Berichten zufolge neun Deserteure in Bramberg auf, meist waren es Zugewanderte, die auf ein baldiges Kriegsende hofften und sich bei Verwandten oder in den Wäldern und Bergen versteckten. 33
Auch der Bramberger Friedrich Brugger desertierte. Als er nach einigen Monaten an der Front auf Heimurlaub in Bramberg war, wollte er nicht mehr in den Krieg ziehen. Während der Militärbus, der die Soldaten an die Front bringen sollte, in Taxenbach eine Pause einlegte, flüchtete er aus diesem und kämpfte sich durch die Wälder zurück in sein Heimatdorf. Dort hielt er sich im Keller des eigenen Hauses versteckt, nur seine Ehefrau wurde in das „Vergehen“ eingeweiht, die drei Kinder blieben unwissend und vermuteten ihren Vater an der Front.
Einige Wochen lang passierte nichts, was auf den Deserteur schließen ließ, jedoch kündigte sich nach einiger Zeit die Gestapo an. Die Familie wurde auf den Dorfplatz zu einem Verhör geführt, sie gaben jedoch keine Informationen weiter, als Folge davon wurden der Mutter schwere Verletzungen zugefügt. Brugger wickelte sich währenddessen in mit Heizöl getränkte Bettlaken und blieb weiterhin im Keller. Der dominante Geruch des Öls überdeckte den Eigengeruch des Mannes und die Spürhunde der Geheimen Staatspolizei konnten den Gesuchten nicht finden.
Aufgrund fehlender Beweise wurde Frau Brugger nicht, wie viele andere in ihrer Situation, in ein Konzentrationslager gebracht.
Um das Bild des im Krieg geglaubten Ehemannes aufrecht zu erhalten, verwendete sie eine List. Die kluge Frau schickte weiterhin Briefe und Tabak an die Front. Daher lebte die Gestapo in dem Glauben, Frau Brugger wisse nicht über den Aufenthaltsort von Friedrich Brugger Bescheid.34
Am 29. und 30. Juli 1944 führte die Gestapo eine Großfahndung im Raum von Bramberg am Wildkogel und den umliegenden Gemeinden durch.
Zu diesem Zeitpunkt hielt sich auch der Bramberger Friedrich Leo auf einer Alm versteckt.
33 Vgl.: Hönigschmid: Bramberg am Wildkogel. S.112
34 Vgl.: Leo: Der Pinzgau unterm Hakenkreuz. S.109f
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Als die Männer der Gestapo die Alm erreichten, zog er sich Frauenkleidung über und wurde, umgangssprachlich ausgedrückt, zur „Alpschwendtlappin“.35 Damit ist im Dialekt eine Verrückte gemeint.36 Er bewirtete die ungeliebten Gäste mit solch schauspielerischem Geschick, sodass diese den Betrug nicht erahnten. Die Feinde traten die Heimreise an, ohne auch nur Verdacht zu schöpfen. 37
6.1. Denunziation
Der Begriff Denunziation beschreibt die öffentliche Beschuldigung gegen eine Personengruppe oder eine einzelne Person. Dies erfolgt anonym aus politischen Gründen oder in der Hoffnung daraus einen eigenen Vorteil ziehen zu können. Im Gegensatz zur Anzeige ist die Denunziation immer negativ konnotiert, weil sie von Verrat geprägt ist. Delikte wie Diebstahl und Mord gelten allgemein als moralisch verwerflich und werden somit mit einer Anzeige geahndet, Denunziation hingegen gilt heutzutage oft als unberechtigte Anzeige. Im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus und generell mit diktatorischen Systemen muss klar zwischen berechtigter Anzeige und Denunziation unterschieden werden.38
Die Opfer der Denunziation erhielten Strafen jeglicher Art, von einfachen Verwarnungen bis zur Einlieferung in ein Konzentrationslager. Die Nationalsozialisten hatten ein ausgeklügeltes Bespitzelungssystem. Als Denunziant konnte man entweder bei der Gendarmarie, der Polizei oder der Gestapo direkt Meldung erstatten. Die Einrichtungen garantierten Anonymität, der Denunziant konnte sich dadurch hinter dem Apparat verstecken.
Das Erzählen von regimekritischen oder führerfeindlichen Witzen wurde als „Heimtücke“-Delikt bezeichnet. Ab 1938 gab es für derartige Vergehen Sondergerichte, diese hinterfragten die Absicht der Aussage selten und die Beschuldigten wurden oftmals sofort in ein Konzentrationslager gebracht.39
35 Vgl.: Hönigschmid: Bramberg am Wildkogel. S.112
36 Vgl.: Leo: Der Pinzgau unterm Hakenkreuz. S.243
37 Vgl.: Hönigschmid: Bramberg am Wildkogel. S.112
38 http://de.wikipedia.org/wiki/Denunziation (ohne Urheber, ohne Jahresangabe, aufgerufen am 02.02.2015)
39 Vgl.: Leo: Der Pinzgau unterm Hakenkreuz. S.123f
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Die Bespitzelung war vor allem in einer kleinen Ortschaft wie Bramberg alltäglich, Die Gemeindebürger waren sehr darauf bedacht aufzupassen, was man wann sagen durfte, dabei spielte es keine Rolle, ob man sich im Wirtshaus oder der eigenen Familie unterhielt.40
Maria Wieser berichtet von einem Vorfall in Bramberg, in dem ebenfalls durch Denunziation auf einen Deserteur aufmerksam gemacht wurde. Keiner im Dorf wusste, wo genau sich der junge Mann aufhielt, viele versuchten jedoch etwas herauszufinden. Dieses Verhalten hatte zur Folge, dass die Schwester des Fahnenflüchtigen von der Gestapo verhört wurde. Sie gab den Männern der Staatspolizei die von ihnen verlangten Informationen nicht weiter und wurde daraufhin in ein Konzentrationslager gebracht. Schon nach kurzer Zeit verstarb sie dort an Lungentuberkulose.
Frau Wieser erinnert sich daran, in welcher Angst die Familien der Deserteure lebten, viele von ihnen mussten die Männer mit Nahrung versorgen und es bestand immer die Gefahr erwischt oder bespitzelt zu werden.
Auch am Pass Thurn, dem Pass im Norden von Bramberg, hielten sich Angaben von Margarethe Hofer zufolge Deserteure versteckt. Als die Gestapo immer häufiger in das Dorf kam, musste sie die Männer warnen, da diese nach einiger Zeit des Versteckens immer leichtsinniger wurden und näher an das Zentrum des Dorfes gingen.
6.2. Zwangsarbeiter
In den bäuerlichen Betrieben des Pinzgaus herrschte, aufgrund dessen, dass die Männer das Land verlassen und an die Front gehen mussten, Personalknappheit. Vor allem der Oberpinzgau mit den vielen Großbauern litt unter dem Mangel der männlichen Arbeitskräfte. Die Menschen waren auf Unterstützung durch Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter angewiesen. Anfangs wurden diese noch mit dem Versprechen auf eine bessere Bezahlung nach Österreich gelockt, später wurden sie zwangsverpflichtet.
40 Vgl.: Leo: Der Pinzgau unterm Hakenkreuz. S.124
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Große Firmen in Polen wurden geschlossen, damit wurden von der NSDAP als minderwertig eingestufte Personen gezwungen, als Arbeiter nach Österreich zu kommen.41
Für die Einheimischen wurden Regeln aufgestellt, das Unterhalten mit den Arbeitern wurde der österreichischen Bevölkerung untersagt, man solle sie zwar nicht beschimpfen, aber ihnen möglichst wenig Beachtung schenken.
Trotzdem entstehen schon bald Freund- und Liebschaften zwischen den beiden Gruppen. Mit dem „Polen-Erlass“ von 1940 wollte man diesen Geschehnissen entgegenwirken. Den polnischen Zwangsarbeitern wurde der Zutritt zu Kino und Theater verwehrt, nur noch der Besuch eigens gekennzeichneter Gaststätten war erlaubt.42
Einige der Bürger behandelten diese ausländischen Arbeiter sehr schlecht, da sie jene, wie es das System von ihnen verlangte, als minderwertig ansahen. Die Polen wurden kaum oder gar nicht entlohnt, bekamen nicht ausreichend zu essen und wurden geschlagen. Dieses unmenschliche Verhalten war jedoch eine Ausnahme.43
Ab dem Jahre 1942 stand der Umgang mit den Zwangsarbeitern, egal welcher Herkunft, unter Strafe. Dieses neue Gesetz konnte nur durch Denunziation durchgesetzt werden, denn für öffentliches Personal fehlte das Geld.44 Bei sexuellem Kontakt wurde zwischen den Volksgruppen unterschieden. Den Zwangsarbeitern aus germanischen Völkern war es zwar nicht erlaubt, Kontakt zu deutschen Frauen zu haben, sie wurden jedoch nicht bestraft.
Die Bestrafungen östlicher Kriegsgefangener bei einem solchen Vergehen reichten bis zu Todesstrafe.45
Die Frauen, die ein „sexuelles Delikt“ begingen, blieben ebenfalls nicht unverschont.
41 Vgl.: Leo: Der Pinzgau unterm Hakenkreuz. S.157
42 Vgl.: Ebd. S.158
43 Vgl.: Ebd. S. 159
44 Vgl.: Ebd. S.162
45 Vgl.: Ebd. S. 161
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Ihnen drohten Haftstrafen von drei Monaten bis drei Jahren, Geldstrafen, körperliche Züchtigung bis hin zur Einweisung in ein Konzentrationslager.46
EXKURS: Dr. Otto Amann
In der Kriegszeit gab es in Mühlbach einen Standort des Reichsarbeitsdienstes, dies wurde von Zeitzeugen berichtet und so über die Generationen weiter getragen. Jedoch gibt es keinerlei für die Öffentlichkeit zugängliche Aufzeichnungen dazu. Auch in der Chronik ist nichts dazu zu finden. Daher wurden für diese Arbeit Nachforschungen betrieben, dadurch wurde Kontakt zu der Familie Amann hergestellt. Herr Dr. Amann war zu dieser Zeit im RAD in Mühlbach im Pinzgau tätig.
46 Vgl.: Leo: Der Pinzgau unterm Hakenkreuz. S.163
Abbildung 2: Ansichtskarte von Mühlbach im Pinzgau aus dem Jahre 1944. Es sind die Baracken des RAD zu erkennen.
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Otto Amann wurde am 5. April 1926 in Hohenems im Bundesland Vorarlberg geboren und verstarb dort am 18. Februar 2011. In den Jahren von 1965 bis 1990 war er als Bürgermeister der Stadt Hohenems tätig. Er engagierte sich besonders für den Bau eines jüdischen Museums, welches die Geschichte der Gemeinde dokumentiert und als Ort der Zusammenkunft für die in alle Welt zerstreuten Juden fungieren soll.47
Am ersten März 1944 wurde Otto Amann nach dem Erhalt der sogenannten „Kriegsmatura“ in den Reichsarbeitsdienst (RAD) einberufen. Diesen Arbeitsdienst musste er zuerst in Pirtendorf und später in Mühlbach im Pinzgau ausführen. Es liegen16 Briefe und Postkarten vor, welche im Zeitraum von März bis Mai 1944 aus Pirtendorf und Mühlbach im Pinzgau in die Heimat von Herrn Amann gesendet wurden. Diese Stücke wurden von Herrn Dr. Gerold Amann zur Verfügung gestellt.
Abbildung 3: Vorderseite einer von Dr. Amann gesendeten Karte mit einer typischen Führerpreisung
47 http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Amann#Kriegsjahre_1944.2F45 (ohne Urheber, ohne Jahresangabe, aufgerufen am: 04.02.2015)
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Abbildung 4: Rückseite der von Dr. Amann gesendeten Karte
„Meine Lieben!
Bin nun 1 ½ Tage in Mühlbach, habe schon gestern geschrieben, aber bei der Arbeit wurde die Karte verregnet. Die erste Ausbildungsstufe haben wir seit der Besichtigung hinter uns. Einen ganzen Tag dauerte die Besichtigung durch den Arbeitsführer. Sie fiel aber gut aus. Jeder einzelne Mann wurde unter die Lupe genommen. Nun werden verschiedene Trupps in den Einsatz kommandiert. Ich wurde hier nach Mühlbach abkommandiert. Eines ist nur schade. Ich bin der einzige aus dem ersten Zug zusammen mit Männern aus dem dritten und vierten Zug. Hier sind wir zur Arbeit unter Führung eines Untertruppführers eingesetzt.
Gruß Otto“
Dieser Brief ist mit dem 25.04.1944 datiert. In den späteren Briefen schreibt Herr Otto Amann auch über die schwere Arbeit, jedoch nur in sehr kurzen Sätzen.
So schrieb er beispielsweise auch: „Für hier gilt die Parole: Viel Arbeit gabs und wenig Brot.“ Amann berichtet auch von dem Bau von Behelfsheimen für Bombengeschädigte.
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Von einem der Vorgesetzten im RAD, welcher auch mit dem damals jungen Mann verwandt war, wurde er zu extremen Leistungen angetrieben und musste harte Arbeiten verrichten, daher hat er die Zeit im Reichsarbeitsdienst in keiner guten Erinnerung. Aus diesem Grund meldete er sich in der Mitte des Jahres 1944 für eine Ausbildung als Reserveoffizier. Zwei Mal schrieb er in einem Brief, dass er glaube, bald entlassen zu werden. Einmal nannte er Mitte Mai und einmal den 10. Juni. Im Juni desselben Jahres wurde er in eine Kaserne nach Linz versetzt.48
8. Resümee
Diese vorwissenschaftliche Arbeit konnte meinen Erwartungshorizont der Ausarbeitungen erfüllen und die Forschungsfrage beantworten. Die Forschungen lassen zu dem Fazit kommen, dass auch die Rolle der Frau eine sehr wichtige zur Bewältigung dieser Zeit war und in den Köpfen der heutigen Gesellschaft immer noch sein sollte. Die Frauen mussten viel Leid ertragen und wurden oft unschuldig zur Rechenschaft gezogen. Sie mussten lernen unter schwierigsten Bedingungen zu wirtschaften, um ihre, oft großen, Familien zu ernähren. In Haus und Hof mussten sie alle Arbeiten verrichten und gleichzeitig die Kinder erziehen. Die Zeit des Nationalsozialismus war ohne Frage von vielen Schicksalsschlägen geprägt. Für diese Arbeit war es vor allem wichtig, zu veranschaulichen, dass man um aus der Vergangenheit zu lernen nicht weit gehen muss, denn sie ist auch in unserer unmittelbaren Umgebung geschehen.
Das Ziel dieser Arbeit war es in keinem Fall, den typischen Feminismus in den Vordergrund zu stellen, sondern im Sinne der Gleichberechtigung und vor allem mit dem Gedanken des Respekts auch auf eine etwas andere Sichtweise aufmerksam zu machen.
48http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Amann#Kriegsjahre_1944.2F45 (ohne Urheber, ohne Jahresangabe, aufgerufen am 04.02.2015)
30
Es wäre sicherlich interessant, innerhalb dieses Themengebietes weiter zu forschen, vor allem welche Auswirkungen die Kriegszeit auf die Gegenwart hat, warum es vielen Zeitzeugen so schwer fällt, über diese Zeit zu berichten, und warum der Zweite Weltkrieg auch heute noch oft als Tabu-Thema gilt.
Viele sogenannte „Kriegskinder“ leiden noch heute an den Spätfolgen des Kriegstraumas.
Folgen davon sind oftmals starke Verunsicherungen und die Schwierigkeit der Pflege von zwischenmenschlichen Beziehungen.
Vor allem Menschen der Generation, die in den Kriegsjahren Kleinkinder waren, leiden heute stark unter immer wieder kehrenden Depressionen, welche auf eine posttraumatische Belastungsstörung zurückzuführen sind. Sie können sich nicht mehr an diese Zeit erinnern, haben keine Bilder vor Augen, aber können mit den Geschehnissen trotzdem nicht abschließen.49
49 Vgl. Bode: Die vergessene Generation. S.10f
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Literaturverzeichnis
Bode, Sabine: Die vergessene Generation. Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen. Piper Verlag: München Zürich 2002
Hönigschmid, Hans: Bramberg am Wildkogel. Eigenverlag: Bramberg am Wildkogel 1993
Leo, Rudolf: Der Pinzgau unterm Hakenkreuz. Diktatur in der Provinz. Otto Müller Verlag: Salzburg 2013
http://de.wikipedia.org/wiki/Bramberg_am_Wildkogel (ohne Urheber, ohne Jahresangabe, aufgerufen am: 10.02.15)
http://de.wikipedia.org/wiki/Denunziation (ohne Urheber, ohne Jahresangabe, aufgerufen am: 02.02.2015)
http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Amann#Kriegsjahre_1944.2F45 (ohne Urheber, ohne Jahresangabe, aufgerufen am: 04.02.2015)
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Bramberg am Wildkogel im Jahre 1942. Postkarte. Bergwelt- Verlag Jurischek: Salzburg. Privat: Stollwitzer, S.7
Abbildung 2: Ansichtskarte von Mühlbach im Pinzgau aus dem Jahre 1944. Es sind die Baracken des RAD zu erkennen. Postkarte. Bergwelt-Verlag Jurischek: Salzburg. Privat: Stollwitzer, S.26
Abbildung 3: Vorderseite einer von Dr. Amann gesendeten Karte mit einer typischen Führerpreisung. Postkarte. Privat: Amann, Oberraitstraße 5, A-6845 Hohenems, S.27
Abbildung 4: Rückseite der von Dr. Amann gesendeten Karte. Postkarte. Privat: Amann, Oberraitstraße 5, A-6845 Hohenems, S.28
Selbstständigkeitserklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig angefertigt habe. Es wurden nur die in der Arbeit ausdrücklich benannten Quellen und Hilfsmittel benutzt. Wörtlich oder sinngemäß übernommenes Gedankengut habe ich als solches kenntlich gemacht.
Mühlbach, am 17.02.2015
…………………………………………………. ……………………………………………………….
Datum, Ort Unterschrift
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Anhang: Interviews
Die Interviews wurden auf Tonträger aufgenommen. Die folgenden Texte stellen eine leicht dialektbereinigte Transkription dar.
Interview mit Maria Wieser am 18.08.2014
Eva Thomann:
„Wie haben Sie die Kriegszeit in Bramberg wahrgenommen?“
Maria Wieser :
„Wie der Krieg angefangen hat, war es für uns ein fürchterlicher, ich war im zwölften Lebensjahr, Schock. Weil damals hat man auch schon gewusst, wie die alten Leute vom Weltkrieg erzählt haben. Und dann hat es bald einmal die Lebensmittelkarten gegeben. Dieses Mal, haben sie gesagt, war es etwas länger, dass die Lebensmittelvorräte gehalten haben, weil sie gleich schon mit den Karten angefangen haben.
Eva Thomann:
„Können Sie mir das System dieser Lebensmittelkarten etwas näher erklären?“
Maria Wieser:
„Früher gab es bei den Lebensmittelkarten etwas mehr. Auf den Karten waren vier „Wocheneckerl“. Darauf stand zum Beispiel 3 mal 50g Reis oder Polenta oder wahlweise Weizengrieß oder Haferflocken. Weil nicht mehr sicher war, was für die letzte Zeit übrig bleibt, haben sie einfach nur „Nährmittel“ draufgeschrieben. Am Dienstag gab es immer den Aufruf, dort haben sie verkündet, was verteilt wurde. 1 kg Roggenbrot oder 75 dag Roggenmehl, 35 dag Zucker (im Monat!) oder 70 dag Marmelade und später waren es nur noch 28 dag Zucker oder 50 dag Marmelade. Es gab Lebensmittelkarten: bis 3 Jahre, von 3-6, von 6-10, von 10-14, von 14-18, Normalverbraucher, Bauern bekamen zum Beispiel keine Fettkarte, weil sie Teil-Selbstversorger waren. Wenn jemand zum Beispiel ein Schwein geschlachtet hat, es gab auch Private, die ein Schwein gefüttert haben, dann ist der Fleischbeschauer gekommen, hat das Fleisch gewogen und so lange, wie man davon essen konnte, hat man keine Fleischkarte bekommen.
34
Einer Bekannten haben wir jedes Monat eine Fleischkarte nach Wien geschickt und einmal hat sie uns dafür einen Golddukaten geschickt, so viel wert war das. Auch dem Textilvertreter haben wir jedes Monat eine Fleischkarte geschickt.“
Eva Thomann:
„Haben Sie schon immer in Bramberg gewohnt?“
Maria Wieser:
„Ich habe schon immer beim „Kramer“ gewohnt, dort geboren und immer schon dort gewesen.“
Eva Thomann:
„Hatten Sie da auch einen Bauernhof oder gab es nur das Geschäft?“
Maria Wieser:
„Wir hatten auch einen Bauernhof. 10 Stück Rindsviecher, Schweine, einen Hund, aber keine Hühner, auch wenn nur alle 14 Tage ein Auto gefahren ist, aber die Hühner haben die Autos nicht einmal gekannt, sie sind halt auch auf der Straße gewesen und immer wieder war eine kaputt. Wir Bauern mussten Eier abliefern, Butter abliefern, Kartoffeln abliefern.“
Eva Thomann:
„Für wen musstet ihr im Haushalt aller sorgen?“
Maria Wieser:
„Wir waren zu Hause. Meine Mutter ist schon vor 81,5 Jahren gestorben, da war ich drei Jahre alt, dann waren meine Großeltern, mein „Datn“, wir vier Kinder und noch eine, die im Haushalt, bei den Kindern und im Laden geholfen hat. Als wir kleine Kinder waren, hatten wir auch eine „Kinzdian“ das „Ifangl Annei“. Ifangl ist ein Bauer auf der „Schodseitn“.“
Eva Thomann:
„Wie gut war man als „Daheimgebliebener“ über das Geschehen an der Front informiert?“
Maria Wieser:
„Unterm Krieg war es so, wir haben den Soldaten, die eingerückt sind, zuerst durfte man etwas mehr schicken, als es ihnen noch gut gegangen ist, danach haben die Soldaten eine Monatsmarke bekommen, für ein ein Kilogramm Paket.
35
Dann hat unsere Mutter ein paarmal zum Briefträger gesagt: „Na Seppö dua glei as erste Moi auf a gonz a kloas Eggei stömpön, das mas no amoi hernehma meng.“ Nachher war aber eine Zeit, in der auch das nicht mehr funktioniert hat. Dann haben sie drei 10dag Packerl bekommen, diese durfte man zusammenhängen. Unsere Mutter hatte ein Paar Godnkinder, denen wir auch immer etwas geschickt haben. Einer von ihnen hat so fehlerhaft geschrieben, dass die Loisi und ich die Fehler markiert haben […]
Wenn die Männer einrücken mussten, hatten sie meistens für die Einberufung 14 Tage Zeit gehabt und mein Vater musste am Februar 1943 einrücken, weil sie ihn des Schwarzschlachtens beschuldigt hatten, musste er schon innerhalb von drei Tagen einrücken. Sie haben ihn nie dabei erfasst, aber beschuldigt.
Wenn ein paar Urlauber im Dorf waren, haben sie einen kleinen Urlauberabend gemacht, in einem Gasthaus. Aber es hat ja außer im „Metzgerhäusl“ nirgends etwas zum Trinken gegeben.“
Eva Thomann:
„Können Sie mir ansonsten noch von einem für Sie einschneidenden Ereignis erzählen?“
Maria Wieser:
„Im Jahre 1945, als der Krieg aus war, mussten wir, acht oder zehn Mädchen, bei den Bauern um Schnaps betteln, damit zum „Heimkehrerball“ ein Getränk da ist. Alle Leute, die bis Weihnachten 1945 nach Hause gekommen sind, haben dann gemeinsam gefeiert. Sie sind auch von der Gemeinde geehrt worden.
Die Frauen mussten immer überall anpacken und hatten immer Angst, wann wieder eine Todesnachricht kam.
Ich weiß noch, der Vater von Scheiterbauer Midi ist an einem 13. Oktober gefallen, da war gerade in Bramberg ein Heimkino, welches ihre Mutter besucht hatte. Diese machte sich dann noch lange ein schlechtes Gewissen, sie war genau an dem Tag im Kino, an dem ihr Mann gefallen ist.“
Eva Thomann:
„Ich möchte in meiner Arbeit auf die Rolle der Frau näher eingehen, können Sie mir die Situation der Frau zu dieser Zeit beschreiben?“
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Maria Wieser:
Zu Hause war es so, Groß und Klein musste zusammenhelfen und die Frauen sparen. Männerarbeit mussten sie sowieso verrichten, sparsam kochen, aus allem etwas machen.
Es gab, ich bin nicht mehr hineingefallen, ich bin ein 27er Jahrgang, bei den früheren Jahrgängen mussten die Mädchen zu Stellung gehen. Danach mussten sie zum Arbeitsdienst, dort wo Not am Mann war oder beeinträchtigte Menschen mussten diese helfen. In Bramberg war ein „Maidenlager“ mit circa 150 Personen. In Mühlbach ein Arbeitslager mit 250 jungen Burschen und mein Bruder,der Peter, ist auch einmal zum Arbeitsdienst gekommen und dann zum Militär gegangen. In diesen Lagern machten sie eine kleine militärische Ausbildung, beim Erntedienst mussten sie helfen. Von ganz Österreich kamen Leute in diese Lager. Von diesen „Besuchern“ sind auch einige Kinder dageblieben.
Nach dem Krieg musste man ein Pflichtjahr machen, ich durfte mein Pflichtjahr zu Hause machen, weil zwei minderjährige Kinder da waren und Landwirtschaft. Danach habe ich erst daheim eine kaufmännische Lehre begonnen. Bei einem Pflichtjahr musste man entweder bei einer kinderreichen Familie sein oder bei der Landwirtschaft. Das mussten Jungen und Mädchen ab 14 Jahren machen, gleich nachdem man mit der Schule fertig war.“
Eva Thomann:
„Wie lange galt die Schulpflicht damals?“
Maria Wieser:
„An genau dem Tag, an dem man 14 Jahre alt war, wurde man aus der Schule entlassen. Man fing auch genau mit 6 Jahren an. Vier Jahre lang habe ich die Mädchen-Volksschule bei den Klosterfrauen besucht, danach wurden wir mit den Buben gemischt. Nach vier Jahren wurde die Hauptschule in Mittersill eröffnet. Meine Eltern waren sich am Anfang nicht sicher, ob sie sich die Hauptschule leisten können. Nach der fünften Klasse Volksschule habe ich dann aber die Aufnahmeprüfung in die zweite Klasse Hauptschule gemacht. In der Früh um dreiviertel sechs sind wir mit dem Zug nach Mittersill gefahren und am Abend mit dem Lastenzug um sechs Uhr heim.
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Bei schönem Wetter sind wir auch oft zu Fuß gegangen. Später kam dann der Bus und auch immer mehr Schüler von Krimml. Da waren oft schon 50 bis 60 Kinder in einem Bus.
Einmal war Verdunklung wegen den Fliegern, dann durften wir in der Schule kein Licht einschalten.“
Eva Thomann:
„Hatte man in unserer Region auch mit „Kriegssituationen“, wie Anschlägen, zu kämpfen?“
Maria Wieser:
„Am 9.9.42 bin ich mit der Großmutter zum ersten Mal nach Innsbruck gekommen, der erste Fliegeralarm in Innsbruck. Als wir im Keller waren, war auch schon Entwarnung. Einmal war ich in Zell am See, gleich neben dem Bahnhof hatten sie einen Notabwurf der Bomben. Ein anderes Mal war ich im Wald zum Preiselbeeren suchen. Ein Flieger flog immer niedriger über uns drüber, ich hatte solche Angst. Im „Moarföd“ hatten sie dann einen Notabwurf, dieser machte ein großes Loch im Wald.“
[…]
„Wenn jemand weiter weg verreist ist, konnte man Lebensmittelkarten mitnehmen. Diese gab es zum Beispiel für drei Tage und für sieben Tage. Da waren zum Beispiel fünf Gramm Fett drauf, dafür hat man gerade einmal eine Suppe bekommen und 50 Gramm Brot. Für Nudelsuppe oder Fritattensuppe musste man Brotmarkerl abgeben.
Im Geschäft mussten wir jede Woche die Markerl unserer Kunden aufkleben und verrechnen. Am Montag musste immer jemand nach Zell am See in den Landrat fahren und diese abgeben. Dort haben sie einen Bezugsschein ausgestellt, mit dem wir in Saalfelden unsere Ware abholen konnten.“
Eva Thomann:
„Ich habe in der Chronik von Bramberg gelesen, dass es auch bei uns Deserteure gab. Wussten die Leute im Dorf von dem „Vergehen“?“
Maria Wieser:
„Es gab sieben oder acht Deserteure in Bramberg.
38
Als ich einmal auf der Straße war, habe ich einen Bekannten getroffen, welcher mir sagte, dass in Bramberg ein Bus der Kriminalpolizei steht. Diese haben alles durchsucht und viele abgeführt und eingesperrt.
Ifangl Annei, welche bei uns gearbeitet hat, war später in Krimml zum Arbeiten. An dem Tag als die Gestapo in Bramberg war, ist sie nach Hause gekommen, um ihre Mutter zu besuchen.
Sie wurde aber gleich von der Gestapo abgeführt, und nach Ravensbrück gebracht. Dort ist sie an Lungentuberkulose gestorben. Ihr Bruder war auch ein Deserteur und den wollte sie nicht verraten. Die Leute im Dorf wussten nicht, wo sich die Männer versteckt hielten, sie wussten nur, dass sie nicht in den Krieg eingezogen sind und ihre Namen in den Listen mit Deserteur versehen waren. Die Leute haben in ständiger Angst gelebt, es wurden sehr viele bespitzelt. Den Deserteuren musste auch zu Essen gebracht werden, oft war ein Schrank mit einer Tür.“
[…]
„Als Hitler gekommen ist, am 13. März 1938 bin ich natürlich in die Schule gegangen und habe in der Kirche mein selbst gehäkeltes blaues Handarbeitstascherl vergessen. Ich habe zu meiner Freundin gesagt, dass sie kurz warten soll und bin in die Kirche gegangen, um es zu holen. Als ich heraus kam, waren Bär Klara und eine andere Frau noch vor der Kirche. Bär Klara war die erste Ökonomierätin in Österreich. Ökonomie ist eine höhere Position in der Landwirtschaft. Beim Grab stehend hat sie zu der anderen Frau gesagt: „Haid iwa Nocht samma Hitler woan.“ Wir haben uns gedacht, das ist ja furchtbar, Hitler zu werden. Danach sind wir in die Schule gegangen, dort hieß es schulfrei. Als wir eine Schwester trafen, sagen wir zu ihr: „Schwester Georgia, mia sand haid iwa Nocht Hitler woan.“ Sie legte nur den Finger an den Mund und sah uns tadelnd an. Auf dem Heimweg sind wir sechs oder acht SS Männern begegnet. Diese haben gesagt: „Heil Hitler!“, hinter uns ist eine alte Frau gegangen und diese sagte daraufhin: „Scheiß ench drauf.“ Wäre es jemand anderer gewesen, hätten sie ihn schon mitgenommen.“
[…]
39
Eva Thomann:
„Waren bei Ihnen im Haus auch einmal Soldaten einquartiert?“
Maria Wieser:
„Während die Soldaten im Dorf waren, gab es ein paar im Dorf, die von auswärts kamen und dolmetschten. Bei uns war nur einmal ein Senner einquartiert, meistens wurden sie zu den Nazis gebracht. Später haben wir zu Hause einmal ein großes Zimmer zu zwei kleineren gemacht und dort waren für kurze Zeit acht Männer einquartiert. Wir haben uns immer gut vertragen.“ […]
„Die „Wieser Hahnie“ hat ein Kind bekommen und einen neuen Bezugsschein dazu und hat aus einem Einser auf dem Schein einen Zweier gemacht, aber so, dass wir es nicht erkannt haben. Wie wir dann in der BH die Punkte abgerechnet haben, ist etwas zurückgekommen, das ist gefälscht. Ich weiß nicht mehr, womit sie ihr gedroht haben, was sie mit ihr machen. Normal ist es fast nie vorgekommen, dass jemand etwas gefälscht hat. Ich wäre nicht darauf gekommen, das zu machen.“
Eva Thomann:
„ Was können Sie mir zu der politischen Situation in Bramberg zu dieser Zeit sagen?“
Maria Wieser:
„Zu dieser Zeit war der „Hauser Hias“ Bürgermeister. Er war ein sehr neutraler Mensch, aber ein fähiger Mann und er und der Mayerhofer haben schon alles miteinander besprochen. Später wollten sie mal meinen Vater als Bürgermeister haben, aber meine Großmutter sagte darauf: „Bittschegoasche Franz, duas nid, des gibt glei bes Bluat. Du kust nid oinan jo und Amen song.“ Der Bürgermeister musste auch viel tun, was vorgegeben war“.
Eva Thomann:
„Fällt Ihnen noch etwas zu der Versorgung ein?“
Maria Wieser:
„Wenn Frauen schwanger waren, haben sie eine Zusatzlebensmittelkarte bekommen.
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Da waren Sardinen drauf, oder einmal Kakao oder etwas Außergewöhnliches halt. Eine Frau hat einmal gesagt: „Wenn i ma nochn Kriag amoi wos kaffn mog, nochand kaf i ma Sardinen, bis ma nimma guad sand.“
Früher war es üblich, dass viele Familien „Ziehkinder“ hatten. Die ledigen Bauernbuben sind meistens am Bauernhof geblieben. Geld war immer knapp und Arbeit hat es genug gegeben. Ein Persönchen weniger oder mehr war da nicht tragisch. Eine Familie in Bramberg hatte 22 Kinder. Ihr Vater war ein armes Schneiderl und ist immer zum Bahnhof betteln gegangen. Er sagte immer: „Na bittgasche, bittgasche. Nett a boa Kroschn, i hu 22 Kindal dahoam. Das i ea mecht nett a Brot hoamtrong.“
Zwei Brüder in Bramberg hatten gemeinsam 48 Kinder. Viele ledige. […]
Unterm Krieg waren sogenannte “Bombenweiwö” da, das waren evakuierte Frauen mit Kindern.“
Eva Thomann:
„Wie war es für Sie, als Ihr Vater in den Krieg einziehen musste?“
Maria Wieser:
„Als mein Vater einrücken musste, war ich gerade einmal etwas über 15 Jahre alt. Da hab ich meinen Vater gefragt, wie ich die Buchhaltung im Laden machen muss. Er meinte darauf nur, dass ich schauen solle, wie er es gemacht hat. Ich war noch nicht einen Tag in der Berufsschule.“
Eva Thomann:
„Wenn Sie mir alles erzählt haben, sage ich Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben und so ehrlich waren.
Maria Wieser:
„Meine Kinder sagen immer, dass ich einen Lebenslauf schreiben soll. „Lebenslauf schreib i enk koan, owa Erfahrungen und Erlebnisse schreib i ench auf.“
Durch den Krieg entstanden auch Freundschaften. So kommt eine Frau, die zu Kriegszeiten in Bramberg evakuiert war, schon zum 60isten Mal zu uns nach Bramberg, um uns zu besuchen.
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Interview mit Traudl Zingerle am 12.09.2014
Eva Thomann:
„Können Sie mir von Ihren Erfahrungen während der Kriegszeit erzählen?“
Traudl Zingerle:
Ich bin in Rettenbach aufgewachsen. Als die Nazis gekommen sind, war ich ungefähr zehn Jahre alt. Wir waren sechzehn Kinder in unserer Familie und ich war die Älteste. Ich musste alle schweren Arbeiten verrichten, weil meine Mutter meist schwanger war und es nicht machen konnte. Wir waren sehr arm. Zu viert mussten wir uns im Bett eine Decke teilen, oft haben wir darum gekämpft. Im Winter war es in dem alten Haus, in dem wir wohnten, sehr kalt. Die Decke war manchmal in der Früh gefroren und an den Wänden hing der Frost.
Eva Thomann:
„Wie schafften es Ihre Eltern so viele Kinder zu versorgen? Hatten Sie zu Hause einen Bauernhof?“
Traudl Zingerle:
„Unsere Verwandten wussten von der Not und brachten uns immer Bekleidung und hin und wieder etwas zu essen. Nein, wir hatten keinen Bauernhof. Der Vater musste bei den Bauern als Knecht arbeiten. Bei dieser schweren Arbeit bekam er nur einen Schilling am Tag, denn die Bauern hatten selbst nicht viel Geld, um ihn zu bezahlen.“
Eva Thomann:
„Welche Arbeiten mussten Sie daheim verrichten?“
Traudl Zingerle:
„Ich bin in Mittersill in die Schule gegangen, bevor ich aber in die Schule gehen konnte, musste ich Wasser tragen. Die Quelle war zehn Gehminuten vom Haus entfernt. Im Haus gab es kein Wasser. Die Mutter brauchte das Wasser zum Kochen und Waschen. Die Mutter hatte sehr wenig Essen zu Verfügung, um zu kochen. Fast immer gab es „Brennsuppe“.“
Eva Thomann:
„Was kann ich mir unter dieser Speise vorstellen?“
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Traudl Zingerle:
Man muss etwas Mehl anbraten und mit Milch aufgießen. Wenn man hat, kann man Kräuter oder Gewürze dazugeben, damit es etwas besser schmeckt. Von dieser Suppe wird man aber nicht satt. Viele von uns Kindern mussten Hunger leiden. Wenn es wieder etwas Geld gab, um Essen zu kaufen, musste es die Mutter einsperren, so hungrig waren wir. […]
Manchmal schickte mich meine Mutter den weiten Weg von Rettenbach nach Mittersill, um bei der Bäckerei Ennsmann etwas Brot zu kaufen. Die Menschen standen dort in langen Reihen an, um etwas Brot zu ergattern. Wenn ich dann nach langem Warten an der Reihe war, war oft von dem Brot nichts mehr übrig und ich musste den weiten Weg nach Hause, ohne das erhoffte Brot, zurücklegen.
Eva Thomann:
„Hat sich diese Situation mit der Machübernahme Hitlers verändert?“
Traudl Zingerle:
„Wia donn da Hitler kemma is, is ins an besten gonga!“
„Bald nach dem Anbruch des Krieges wurden die Lebensmittelkarten eingeführt, da wir sehr viele Kinder waren, ging es uns dann viel besser. Wir konnten die Kleiderkarten bei den Bauern gegen etwas zu Essen eintauschen. Wir hatten immer noch nicht viel, aber um einiges mehr. Wir mussten nicht mehr hungern. […]
Trotzdem mussten meine kleinen Brüder schon ab einem Alter von sechs Jahren bei den Bauern helfen, um an etwas mehr Nahrung zu kommen. Einer musste einmal bei einer tragenden Sau über die Nacht Wache schieben. Damit der Bub nicht einschlief, gab ihm die Bäuerin kleine Stofffetzen, welche er über Nacht zu einem so genannten „Fleckeiteppich“ zusammen nähen musste.“
Eva Thomann:
„Mussten einige Ihrer Brüder auch in den Krieg ziehen?“
Traudl Zingerle:
„Viele waren zu klein, aber die Älteren schon. Nur mein Vater durfte zu Hause bleiben, um die Kinder zu versorgen.
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Einmal kam der Briefträger mit der Nachricht, dass einer meiner Brüder nach sechs Monaten im Krieg gefallen sei. Meine Mutter war sehr traurig, doch der Briefträger meinte nur: „Ach Frau, sands nid traurig, hombs jo eh gnuag.“
Eva Thomann:
„Wie entwickelte sich die Situation der Versorgung am Kriegsende?“
Traudl Zingerle:
„Nach dem Krieg ging es uns immer besser. Wir haben etwas Geld bekommen und davon konnten wir uns Betten und Bettzeug kaufen. Mein Vater hat lange gespart. Später haben wir uns damit ein Haus gekauft.“ […]
„Im Gegensotz zu domois, hu i iaz do an Himmö auf Erden!“
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Interview mit Gretl und Ludwig Hofer am 20.09.2014
Eva Thomann:
„Können Sie mir von Ihren Erfahrungen während der Kriegszeit erzählen?“
Ludwig Hofer:
„Ja was möchtest du denn wissen?“
Eva Thomann:
„Am besten alles.“
Ludwig Hofer:
„Ich wurde 1923 als lediges Kind geboren. Bis ich fünf Jahre alt war, lebte ich bei meiner Großmutter und danach bei meiner Mutter. Bis ich zehn war. Jeden Tag in der Früh musste ich in die Schule ein Fläschchen für die Milch mitnehmen und bei einem Bauern um Milch fragen, damit wir ein Frühstück hatten. Es gab kaum Arbeit. Danach bin ich zu einem anderen Bauern als „Goschabittnbua“ gekommen. Dort musste ich auch wieder Milch tragen, vom Sonnberg in das Dorf von Mühlbach, um 7 Uhr musste ich schon wieder in Bramberg zur Morgenmesse sein, vor der Schule. Bis ich 15 Jahre alt war, bin ich bei diesem Bauer gewesen. Mit 15 kam ich dann zum Käferhof als Knecht, dort bin ich vier Jahre lang geblieben. Da ist es mir gut gegangen, es war zwar viel Arbeit, aber man wurde als Mensch behandelt.
Von dort weg musste ich in den Krieg einziehen. Dreieinhalb Jahre Gefangenschaft in Russland. Gefangen wurde ich in der Nähe von Kiew. 25 000 Kriegsgefangene wurden in fünf Teile aufgeteilt. In der ersten Nacht waren noch alle 25.000 beisammen und mussten auf einem großen Feld schlafen, ohne Decken, einfach auf dem Boden. Rund um das Feld wurde ein Graben gezogen, in dem die Kriegsgefangenen ihre Notdürfte verrichten mussten.
Am nächsten Tag wurden sie alle in Viehwagone eingeladen. 43 Männer wurden in einen Wagon „gestapelt“. Das war im Juli. Aus dem Wagon führte eine kleine Mulde, die für die Notdurften der Männer vorgesehen war. Der Wagon war mit Stacheldraht umwickelt. Man kann sich nicht vorstellen, welch Ungeziefer sie im Wagon hatten.
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Nur einmal am Tag wurden sie aus dem Wagon gelassen und bekamen eine Kartoffel und ein bisschen Brot, dies war die Ration für einen ganzen Tag. Etwas Wasser gab es auch, aber auf keinen Fall genug.
Jeden Tag verstarben mindestens fünf oder sechs der Gefangenen. Die Russen sagten darauf immer etwas auf Russisch, das so viel hieß wie: „Ist nicht so schlimm, wir haben eh noch genug.“ Die Toten wurden einfach aus dem Wagon geschmissen. Fast wie Steine. Ich weiß nicht, was sie mit ihnen gemacht haben. Wahrscheinlich einfach irgendwo vergraben. Das waren diese Leute, die natürlich nicht registriert wurden und danach als vermisst galten. Eigentlich hätten wir unser Ziel innerhalb von zwei Tagen erreichen können, aber wir haben über eine Woche gebraucht. Am Ende waren wir nicht mehr so viele.
Das Lager war ein Sammellager mit etwa fünftausend Gefangenen, in der Baracke war nicht einmal ein Boden. Dort haben wir geschlafen, in dieser baufälligen Baracke. Wenn man in der Nacht einmal aufstehen musste, ist man nicht mehr hineingekommen, weil die Männer so eng zusammenrücken mussten. Dann musste man sich einen Schlafplatz im Stehen oder Knien suchen.
Das Lager war von einem alten Fabrikgelände umgeben, welches fast so groß war wie der gesamte Pinzgau. Die 5.000 Männer mussten dort arbeiten gehen. Im Herbst waren wir noch 5000 Männer um gegen Ende Februar, Anfang März gingen nur noch 180 Männer arbeiten. Ich war unter ihnen. Meiner Schätzung nach, ich glaube, ich übertreibe sicher nicht, es sind von 100 bestimmt 80 gestorben. Wir wurden in drei verschiedene Arbeitsgruppen eingeteilt.
Jeden Monat gab es eine Untersuchung. Wir Männer mussten uns nackt in einer Reihe aufstellen und wir wurden auf unsere Gesundheit überprüft. Wenn man noch ein bisschen Fleisch auf den Rippen hatte, gehörte man zur ersten Gruppe. Die verschiedenen Gruppen wurden mit Punkten eingeteilt. Je mehr Punkte man hatte, desto mehr musste man arbeiten, man bekam aber auch ein bisschen mehr Brot. Mit 101 Punkten war man bei Gruppe eins. Mit 75 Punkten war man bei Gruppe zwei, das waren die, die schon etwas schwächer waren.
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Arbeitsgruppe drei brauchte nur noch 53 Punkte, denn diese Leute waren schon sehr schwach. Diese haben die Norm, wie man es genannt hat, nie erreicht. Man war damit wieder auf ein Neues gestraft, weil man ja kein Zusatzbrot bekommen hat.
Ich hatte das Glück, dass ich immer gesund bleiben durfte, dass ich immer mitgekommen bin. In der Gefangenschaft musst du nur, nur positiv denken, wenn du mal anfängst schlecht zu denken, dann weißt du schon, das du weg bist.
Hauptsächlich sind die gestorben, die geraucht haben. Man bekam ein ganz eigenes Zeug zum „Wutzeln“ von Zigaretten. Die Ration reichte für ca. 4 Zigaretten. Es gab dafür nicht einmal ein Zeitungspapier, sondern ein Zementpapier. Da kannst du dir vorstellen, was das für ein Kraut war, was die eingeatmet haben. Für einen richtigen Raucher war das natürlich zu wenig. Diese gaben dann oft ihr letztes Stück Brot für Zigaretten her. Bei denen konnte man dann die Tage zählen. Ich habe meine immer verschenkt
Es war sowieso so. Nur die mit einer guten Natur, einer wirklich guten Natur, haben überlebt. Alle anderen sind sowieso gestorben.
Wenn jemand gestorben ist, haben sie sechs bis acht Mann bestimmt, die nach draußen gehen mussten und ein Loch für die Verstorbenen graben mussten. Das konnten wir Gefangenen vom Lager aus sehen, wo sie das gemacht haben, nur ein paar Meter außerhalb des Zaunes. Eine zweite Partie musste die Verstorbenen nach außen transportieren und vergraben. Sie wurden nur mit einer ein paar Zentimeter dicken Erdschicht bedeckt. Das waren jeden Tag um die 20 Männer. Jeden Tag kamen große Hunde, jeden Tag mehr und haben die Toten aufgefressen. Wir mussten dabei zuschauen.
Eva Thomann:
„Können Sie mir auch von Ihrer Heimkehr berichten?“
Ludwig Hofer:
„Am 25 Juli 1947 hat der Österreichische Bundespräsident, der Herr Dr. Renner, einen Antrag erstellt, dass die Österreichischen Kriegsgefangenen freigelassen werden. Dem wurde stattgegeben. Aber nur die Österreicher, es waren ja viele andere auch noch da. Ungarn und so weiter.
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Auch Deutsche, aber die wurden ja sowieso nicht beachtet. Es vergingen Monate und am ersten Dezember hieß es, dass die Österreicher heute nicht arbeiten gehen müssen. Es wurden noch einmal alle registriert.
Unter dem Arm hatten die Männer der SS ein spezielles Kennzeichen, wenn jemand der Kriegsgefangenen an dieser Stelle zum Beispiel eine Verletzung hatte oder irgendetwas Verdächtiges. Diese wurden sowieso zurückgehalten. Es wurden viele Unschuldige zurückgehalten.
Danach wurden wir neu eingekleidet. Nicht neu, aber halbwegs anschaulich. Danach war wieder einige Tage Pause, bis zum 5. Dezember. Schon im Jahre 1945 hieß es, dass wir bald heimkehren dürfen. Am 5. Dezember um drei Uhr in der Früh hieß es für die Österreicher: „Austreten!“ damals waren wir circa 1100 und elf wurden noch zurückgehalten. Das waren die elf, welche die russischen Gefangenen in Österreich bewacht haben.
Es kamen wieder Viehwagone, in die wir eigeladen wurden. Es war sehr kalt. Es gab zwar einen Ofen, aber wir hatten kein Holz. Dann mussten wir wieder anfangen zu stehlen, damit wir Holz bekommen haben. Am 24. Dezember sind wir in Wiener Neustadt angekommen. Dort bekamen wir einen Knödel, dieser war so vertrocknet, dass man ihn werfen konnte, ohne dass sie auseinanderfielen. Wir waren aber so froh um diese Mahlzeit. Es gab auch eine Entschädigung von ein paar Schillingen. Bis zur Ennser Brücke wurden wir von den Russen „begleitet“. Man durfte ja nichts anderes sagen. Denn es wurden schon Männer wegen der falschen Wortwahl wieder zurückgeschickt.
Danach wurden wir von den Amerikanern übernommen. Diese haben sich nicht gut um uns gekümmert. In Salzburg angekommen, bekamen wir Heimkehrer auch eine Kleinigkeit.“
Eva Thomann:
„Wo haben Sie nach der Heimkehr Unterkunft gefunden?“
Ludwig Hofer:
„Nach dem Krieg bin ich bei meiner Schwester untergekommen. Diese hatten Bekannte in Amerika, welche immer wieder Sachen zugesendet haben. Deswegen ist es denen nicht so schlecht ergangen.
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Zu Hause hat mir meine Schwester das Bett überlassen und sie schlief auf dem Sofa. In der Früh bin ich am Boden geschlafen, weil ich es nicht mehr gewohnt war auf einem Bett zu schlafen.
Margarethe Hofer:
Wenn meine Mutter noch einmal auf die Welt käme, würde sie glauben, dass sie im Himmel ist. Meine Mutter ist schon mit 44 Jahren verstorben.“ […] Wir haben 1949 geheiratet
Eva Thomann:
„Wie ist es den Daheimgebliebenen, vor allem den Frauen, während der Kriegszeit ergangen?“
Margarethe Hofer:
„Wenn wir noch vor dem Krieg von der Schule nach Hause gegangen sind, dann ist an jedem schattigen Plätzchen ein Bettler gewesen. Bei einem Bauernhof in der Nähe haben die Bettler immer etwas bekommen, aber sie mussten vor dem Haus auf der Treppe essen. Unter dem Krieg hatten alle genug zu essen. Auch solche Sachen, die sie vorher nicht gekannt haben. Unterm Krieg musste kein Mensch, sofern man es sich ein bisschen eingeteilt hat, Hunger leiden. Mit den Karten hat jeder gleich viel bekommen, außer man ist in eine andere Klasse wie Arbeiter, Kinder oder Schwangere gefallen. Um das Essen ist gesorgt worden, da darf man kein schlechtes Wort verlieren.“
Eva Thomann:
„Wie entwickelte sich diese Situation am Kriegsende?“
Margarethe Hofer:
„Nach dem Krieg ging es nur noch darum, seine Sachen an den Mann zu bringen, jeder, der irgendetwas Verkaufbares hatte, wollte es zu Geld oder Essen machen. Unterm Krieg hat man sich auch nicht getraut, etwas selbst zu verkaufen.“
Eva Thomann:
„Können Sie sich noch an für Sie einschneidende Ereignisse während des Krieges erinnern?“
Margarethe Hofer:
„Ein Bauer in Weyer hatte drei Söhne, diese drei mussten alle in den Krieg einrücken und sind gefallen.
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Der Ehemann der Schwester war auch ein Bauer, welcher eigentlich Lebensmittel abliefern musste. Nachdem alle drei gefallen sind, beschloss er irgendwann nichts mehr zu liefern. Daraufhin musste dieser auch einrücken und ist auch gefallen.
Eine Frau musste auch einen ihrer Söhne zum Kriegsdienst freigeben, irgendwann entschied sie sich für einen, dieser musste sein Leben auch im Krieg lassen. Das sind schon wirklich schwere Entscheidungen, es kann keiner etwas dafür, das war das System, aber daran denken tut man trotzdem immer. Nein diese Zeit brauchen wir nicht mehr.
[…]
Eva Thomann:
„Gab es bei uns auch „Vereine“ wie die Hitlerjugend?“
Margarethe Hofer:
„Ja, aber meiner Meinung nach war das nichts Schlimmes. Die jungen Leute konnten zusammenkommen. Bei uns am Land war da nicht viel Böses dahinter.
Eva Thomann:
„Was wurde in dieser Hitlerjugend gemacht, kann ich mir das so vorstellen, wie man es heute in der Schule lernt?“
Margarethe Hofer:
In Bramberg war an der Hitlerjugend nichts Schlimmes, es wurden Lieder gesungen und Spiele gespielt, überhaupt nichts Schlimmes. Es gibt natürlich überall Gut und Böse, überall Ausnahmen.
Ich kann diese Lieder immer noch auswendig:
Von Finnland bis zum Schwarzen Meer:
Standen für Deutschland auf Posten,
hielten große Wacht,
hebt sich Sonne im Osten,
und ruft die Millionen zur Schlacht,
von Finnland bis zum Schwarzen Meer,
vorwärts nach Osten,
so stürmt unser Heer,
Freiheit das Ziel,
[…]
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Führer befiehl,
wir folgen dir.
Nun brausen von Osten die Heere,
ins russische Land hinein,
Kameraden nun an die Gewehre,
der Sieg muss unser sein.“
Eva Thomann:
„Warum glaubt ihr, dass das nationalsozialistische System vor allem im Pinzgau einen so großen Zuspruch erfahren hat?“
Margarethe Hofer:
„Hitler hat seine Arbeit ja mit dem Bau der Autobahn begonnen. Die Leute hatten Arbeit und die Menschen bei uns waren sehr neidisch. Viele sind auch dorthin zum Arbeiten gegangen. Denn von nichts kann keiner leben. Ein Krieg ist etwas so Schreckliches. Und er hört nie auf, sie haben ja immer noch nicht aufgehört, Krieg zu führen.“
Eva Thomann:
„Haben Sie in dieser Zeit auch Erfahrung mit Deserteuren gemacht?“
Margarethe Hofer:
„Auf einer Alm am Pass Thurn versteckten sich auch Deserteure. Einer hätte nur arbeiten müssen und hat sich auch davor gedrückt. Als einmal die Gestapo die Gegend durchkämmte, musste ich zu den Deserteuren gehen und ihnen sagen, dass sie sehr vorsichtig sein müssen. Denn diese wurden von Tag zu Tag übermütiger. Einer hat sich in einer Höhle versteckt und wurde gleich, als er gefunden wurde, erschossen. […] Wenn ein blauer Brief gekommen ist, hat schon jeder gezittert, ob es nicht die Botschaft eines gefallenen Soldaten wäre. Jeden Tag das gleiche Gespräch, wer wohl einen blauen Brief bekommen habe.“
Eva Thomann:
„Wenn man in Bramberg wusste, wer sich dem Nationalsozialismus verpflichtete, wie wurde dann nach dem Kriegsende mit diesen Menschen umgegangen?“
Margarethe Hofer:
„Viele Menschen wurden nach dem Krieg nach Salzburg zum Verhör gebracht.
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Unter ihnen war auch eine Gruppe von Frauen, die nichts anderes gemacht haben, als sich am Abend zum gemeinsamen Stricken zu treffen. Der Grund zu einem Verdacht in irgendeiner Hinsicht war in der Gemeinde unklar. Sie haben nichts anderes gemacht, als Kleidung zu flicken und den anderen zu geben. Auf einmal wurde es so hingestellt, als wären sie schlechte Menschen. […]
Mein Onkel war als Ortsgruppenleiter tätig. Nach dem Krieg machten sich alle Gedanken, was mit ihm passieren würde, weil er ein illegaler Nazi war, aber jeder mochte ihn so gern, dass er nicht einmal nach Salzburg musste.“50
Ludwig Hofer:
„Du musst immer Mensch bleiben, das musst du dir merken. Wenn du nett mit den Menschen bist, damit fährst du am besten!“
50 Laut Hönigschmid S.113 war Hans Fürschnaller (der Onkel) sehr wohl zwei Jahre lang in Glasenbach interniert.
Grüß Gott, ich heiße Paul R. Kellner und beschäftige mich seit Anfang der 80er Jahre mit „Medizin und Soziales“ im deutschsprachigen Raum von ca. 1880-1965 aus beruflichen und familiären Gründen. Dies kurz zu meiner Vita.
Nun zum Anlaß meines Kommentars:
Ich habe in meiner Sammlung folgendes gefunden:
2 Briefe mit Inhalt (1x 07.06.1942, 1x 19.07.1942) vom RAD 1/332 Mühlbach/Pinzgau. Absender: Josef Vogel, Truppführer „T.v.D.“ und „die ganze Abt. von über 150 Mann zu befehlen“. Weiter im 2. Brief: „… und dabei mache ich nun eine Sonderausbildung mit, die mich besonders viel Schweiß kostet und mich stark in Hitzne bringt.“
Frage nun: Welche „Sonderausbildung“ wurde dort vollzogen?
P. S.: Josef Vogel hatte als vorherige Arbeitsstelle eine Tätigkeit beim Regierungspräsidenten in Karlsbad/Tschechien
Herzliche Grüße und vielen Dank für Ihre spannende Veröffentlichung oben
Pau R. Kellner